Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken mangelhaft
Die Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages und die zugehörigen Stellungnahmen der Sachverständigen enttarnen die Mangelhaftigkeit des Entwurfes für ein Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken
Bezüglich des umstrittenen Entwurfes für ein Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken hat am 15.5.2013 eine öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages unter dem Titel „Unseriöse Geschäftspraktiken und unseriöses Inkasso“ stattgefunden. Zu den im Gesetzesentwurf geplanten Änderungen des Urheberrechtsgesetzes wurden mehrere Sachverständige, unter anderem Herr Prof. Dr. Joachim Bornkamm, Richter am Bundesgerichtshof und Vorsitzender des I. Zivilsenats sowie Herr Prof. Dr. Jan Bernd Nordemann, Anwaltssozietät Boehmert & Boehmert und Mitherausgeber des Gesetzeskommentars „Fromm/Nordemann Urheberrecht“ angehört.
Erhebliche Bedenken gegen den Gesetzesentwurf des Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken
In der Anhörung kam deutlich zum Ausdruck, dass auf Seite der Urheberrechts-Experten große Bedenken gegen den Gesetzesentwurf bestehen. Diese sind einerseits gesetzessystematisch begründet, andererseits sogar verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Natur. Insbesondere die in dem Gesetzesentwurf enthaltenen urheberrechtlichen Regelungen zum Erfordernis der Vorlage einer Vollmacht im Original bei einer Abmahnung sowie die pauschale Streitwertbemessung bei privaten Urheberrechtsverletzungen seien sachlich nicht gerechtfertigt.
Die Vorlage einer Vollmacht im Original begründe ein unverständliches Misstrauen gegenüber der Anwaltschaft sowie einen erheblichen administrativen Aufwand. Hierdurch würde ein Verlust von Zeit und Rechtsschutz insbesondere bei ausländischen Urhebern und Rechteinhabern begründet und diese folglich diskriminiert, was europarechtlich und aufgrund bestehender Staatsverträge zu weitreichenden Problemen führen würde. Zudem seien Missbrauchsfälle aufgrund mangelnder Bevollmächtigung weder bekannt, noch dokumentiert. Etwaige Missbrauchsfälle aufgrund nicht bestehender Bevollmächtigung würden darüber hinaus ohnehin durch das geltende Recht, insbesondere das Berufsrecht und das Strafrecht abgefangen.
Prof. Dr. Bornkamm, der Vorsitzende des für das Urheberrecht zuständigen I. Zivilsenats am Bundesgerichtshof äußerte sich hierzu wie folgt:
„Der Entwurf zeichnet sich an dieser Stelle – wie auch schon beim Erfordernis der Vorlage der Vollmachtsurkunde – besonders deutlich dadurch aus, dass für den Gläubiger Hürden aufgebaut werden, die die Durchsetzung seines Rechts erklärtermaßen erschweren sollen. Einerseits nötigt das Gesetz den Urheberberechtigten, den Verletzer abzumahnen, bevor er ihn gerichtlich in Anspruch nimmt. Andererseits wird es dem Berechtigten – würde der Entwurf Gesetz – möglichst schwer gemacht, dieser Obliegenheit nachzukommen. Der Wunsch, Missbräuche zu bekämpfen, scheint den Entwurfsverfassern den Blick dafür verstellt zu haben, dass es auch Urheberberechtigte gibt, die mit gutem Grund abmahnen.„
Prof. Dr. Bornkamm betonte, dass er über die Forderungen, dass bestimmte Rechtsverletzungen, nicht mehr verfolgt werden können sollen, obwohl sie objektiv vorliegen, „sprachlos“ sei. Die Regelungen des neuen § 97a UrhG Reg-E seien teilweise „völlig undurchdacht“ und würden teilweise „keinen Sinn ergeben„. Auf Letzteres hatte auch bereits die Bundesrechtsanwaltskammer in ihrer Stellungnahme hingewiesen.
Die Stellungnahme von Prof. Bornkamm zum Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken, die gleichzeitig die Meinung des ersten Zivilsenats des Bundesgerichtshofes wiedergibt, kann hier im Volltext nachgelesen werden.
Die gesetzliche Festlegung von Streitwerten auf 1.000,- € ist nach Auffassung von Prof. Dr. Nordemann eine „unglaubliche Pauschaliererei“ und „derart unflexibel, dass sie unfair und ungerecht“ ist und jegliche EInzelfallbetrachtung von vornherein ausschließe. Eine pauschale Streitwertbegrenzung ist nach Ansicht von Prof. Dr. Nordemann auch deswegen nicht erforderlich, da die Gerichte die unterschiedliche Gefährlichkeit, die auch private Urheberrechtsverletzungen haben können, in den letzten Jahren bei der Höhe der Streitwerte „gut nachgezeichnet“ hätten. Die spezifische Verletzungsform und der jeweilige „Wert“ des verletzten Rechtsgutes müssten stattdessend streitwerbildend bleiben und Streitwerte einzefallgerecht von Gerichten festgesetzt werden. Darüber hinaus seien absolute Beträge immer auch unter dem Gesichtspunkt der Inflation problematisch. Wenn die Streitwertbegrenzung dazu führe, dass anwaltliche Tätigkeiten nicht mehr einkömmlich seien oder gar der Mandant aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen ist, auf Rechtsschutz zu verzichten, entstünde eine absolute Rechtsschutzlücke und die Regelung wäre sogar verfassungswidrig.
Die dogmatisch präzise und daher sehr lesenswerte Stellungnahme von Prof. Dr. Jan Bernd Nordemann kann hier im Volltext nachgelesen werden.
Die vom Grundgesetz gewährte Garantie eines effektiven Rechtsschutzes gebiete es nach Auffassung der Sachverständigen, dass dieser Rechtsschutz auch irgendwo gelebt werden müsse. Weiterhin kritisiert wurde der im Gesetz vorgesehene Gegenanspruch desjenigen, der unwirksam abgemahnt wurde, da dieser eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung begründe und den in seinen Rechten Verletzten praktisch dazu zwinge, auf die Durchsetzung seiner Rechte zu verzichten, um nicht Gefahr zu laufen, ohne Verschulden Gegenansprüchen ausgesetzt zu sein.
Auffällig sei weiterhin, dass das Gesetz entgegen seinem Namen nicht nur „unseriöse“, sondern auch seriöse und berechtigte Tätigkeiten von Anwälten und Inkassounternehmen regele. Das Gesetz lasse eine Unterscheidung in seriöse bzw. berechtigte und unseriöse bzw. unberechtigte oder gar rechtsmissbräuchliche Tätigkeiten vermissen. Dadurch seien die Begleitschäden für seriös handelnde Marktteilnehmer enorm. Letztlich dürfe ein Gesetz dem Geschädigten nicht die Möglichkeit nehmen, gegen echte Verstöße vorzugehen.
Kommentar des Verfassers
Im Ergebnis bestätigen die Meinungen der Experten die von uns bereits vor einigen Monaten in einem Blogbeitrag geäußerte Auffassung, wonach das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken nicht nur nicht sachgerecht ist, sondern darüber hinaus die Urheber in unangemessener Weise an der Durchsetzung ihrer Rechte hindert und daher verfassungsrechtlich und europarechtlich mehr als bedenklich ist.
weiterführende Quellen: Heise „Gesetzesentwurf gegen Abmahnabzocker entzweit Experten“
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