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Rechtswidrige Berichterstattung kann teuer werden – Haftung für Weiterverbreitung von persönlichkeitsrechtsverletzendem Beitrag

Ein Fernsehsender haftet für die Weiterverbreitung eines persönlichkeitsrechtsverletzenden Beitrags durch Dritte auf YouTube und Co.

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass ein Fernsehsender, der durch eine rechtswidrige Berichterstattung das Allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Person verletzt, auch für die Rechtsverstöße von Dritten, die den Beitrag auf Plattformen wie YouTube oder Facebook eigenmächtig hochladen bzw. weiterverbreiten, haften kann (BGH, Urt. v. 09.04.2019, VI ZR 89/18).

 

 

Hintergrund zur rechtswidrigen Berichterstattung im vorliegenden Fall

 

Der MDR  strahlte den Dokumentarfilm  „Provinz  der  Bosse  – Die Mafia in Mitteldeutschland“ im Jahr 2015 aus und stellte diesen Film auch in der Mediathek zur Verfügung. Der Kläger erkannte sich in dem Bericht wieder und ging gegen die unwahren Tatsachenbehauptungen vor. Er nahm den Sender erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch.

In der Folgezeit luden verschiedene Dritte den besagten Film auf verschiedenen Onlineplattformen hoch. Dies jedoch ohne, dass der Sender damit einverstanden war. Der Kläger ging außergerichtlich gegen diese „Uploader“ vor und mahnte sie wegen der Verbreitung der persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalte ab. Dabei sind ihm entsprechende Rechtsverfolgungskosten entstanden. Ebendiese Kosten wollte der Kläger nun vom MDR erstattet bekommen.

 

 

Welche Frage hatte der BGH genau zu beurteilen?

 

In dem Urteil des BGH ging es nicht mehr um die Frage, ob der MDR das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers durch den Filmbeitrag verletzt hatte. Diese Rechtsverletzung stand bereits durch die Vorinstanzen fest. Vielmehr ging es um die Frage wie weit die Haftung des Senders reicht, wenn Dritte durch Weiterverbreitung des Filmbeitrags das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzen. Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung ist die haftungsrechtliche Zurechnung des Handelns Dritter. Konkret ging es um die Frage, ob die Haftung des Senders auch die Kosten für die Abmahnungen Dritter umfasst, die den Film aus der Mediathek eigenmächtig auf YouTube und Co. hochgeladen hatten.

 

 

Wie hat der BGH entschieden?

 

Der BGH hat im vorliegenden Fall entschieden, dass das in der Weiterverbreitung eines persönlichkeitsrechtsverletzenden Beitrags liegende eigenmächtige Handeln Dritter demjenigen, der den Beitrag verfasst bzw. als Erster veröffentlicht hat, haftungsrechtlich zugerechnet werden kann. Der BGH sprach dem Kläger im vorliegenden Fall daher einen Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Sender zu. Voraussetzung für diesen Kostenerstattungsanspruch ist generell, dass die Abmahnungen erforderlich und zweckmäßig sind bzw. waren.

Nach den Karlsruher Richtern ist dies der Fall. Zwar begehen diese Dritten durch die (eigenmächtige und vom Sender nicht genehmigte) Weiterverbreitung des Beitrags ihrerseits gegenüber dem Sender ihrerseits eine Urheberrechtsverletzung – dies ändere jedoch nichts an der Zurechnung der damit einhergehenden Persönlichkeitsrechtsverletzung.

 

 

Wie begründet der BGH seine Entscheidung?

 

Nach Ansicht der Karlsruher Richter sei üblich, dass Dritte jeden Tag Beiträge im Internet verlinken und kopieren, sodass die Persönlichkeitsrechtsverletzung durch den weiterverbreiteten, ursprünglichen Beitrag sich in der Weiterverbreitung durch Dritte fortsetze. Die mit der Weiterverbreitung durch Dritte einhergehende Persönlichkeitsrechtsverletzung ist daher nach Ansicht des BGH eine internettypische Gefahr und „(…)äquivalent als auch adäquat kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen“. An dieser Zurechnung der Persönlichkeitsrechtsverletzung ändere sich auch nichts dadurch, dass hier die Dritten eigenverantwortlich gehandelt haben. Denn „wirken in der Rechtsgutsverletzung die Gefahren fort, die durch die erste Ursache gesetzt wurden, kann der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang nicht verneint werden.“

Bisher hatte der I. Zivilsenat die Meinung vertreten, dass der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs – wie hier der MDR – für das selbstständige Handeln eines Dritten grundsätzlich nicht einzustehen hatte. Er musste nur auf einen Dritte einwirken, wenn ihm sein Handeln wirtschaftlich zu Gute kommt (BGH, Urt. v. 13.11.2013, Az. I ZR 77/12 – Vertragsstrafenklausel; BGH, Urt. v. 04.05.2017, Az. I ZR 208/15 – Luftentfeuchter). Jedoch betonen die Richter, dass die aktuelle Entscheidung nicht dazu im Widerspruch steht:

„Im Streitfall geht  es  nicht  um  den  Umfang  vertraglicher  oder  gesetzlicher  Unterlassungspflichten, sondern um die sich im Rahmen eines deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruchs  stellende  und  nach  allgemeinen  haftungsrechtlichen  Grundsätzen zu beurteilende Frage, ob dem Schuldner die von ihm adäquat kausal herbeigeführte Rechtsgutsverletzung haftungsrechtlich zuzurechnen ist.“

 

 

Was ist denjenigen, die im Internet Inhalte veröffentlichen, zu raten?

 

Bei der Wort- und Bildberichterstattung über Personen sollte generell journalistisch sorgfältig recherchiert und gearbeitet werden, damit Persönlichkeitspflichtverletzungen durch falsche Tatsachenbehauptungen von vornherein vermieden werden. Der Sorgfaltspflichtmaßstab, den die Rechtsprechung hier anwendet, ist aus guten Gründen sehr hoch. Die Einhaltung journalistischer Sorgfaltspflichten dient damit nicht nur dem wohlverstandenen Eigeninteresse an einer inhaltlich wahren und richtigen Berichterstattung, sondern auch der Vermeidung von Haftungsrisiken. Die Veröffentlichungen von Beiträgen im Internet und das dort „typische“ Nutzerverhalten – nämlich Beiträge weiterzuverbreiten – bergen für denjenigen, der einen persönlichkeitsrechtsverletzenden Beitrag erstellt, ein erhebliches Haftungsrisiko.

 

 

Weitere Informationen und Kontakt

 

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Sollten Sie rechtliche Fragen im Bereich des Medien-/Presserechts und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts haben, nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf! Die Anwälte der WeSaveYourCopyrights Rechtsanwaltsgesellschaft mbH beraten und vertreten sowohl Presseverlage und Medienhäuser, als auch Prominente, Sportler und Personen des öffentlichen Lebens in Fragen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns.

 

 

© Isabelle B. Lehmann, Ass. jur., B.A. und Rechtsanwalt Christian Weber, WeSaveYourCopyrights Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, 23.8.2019

 

 

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