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Sampling nun doch erlaubt? EuGH urteilt zum Sampling im Fall Moses Pelham gegen Kraftwerk (Rechtssache C 476/17)

 

Hat der EuGH das Sampling erlaub?

 

Hintergrund des Rechtsstreits im Fall Moses Pelham gegen Kraftwerk zum „Sampling“

 

Die Parteien des Rechtsstreites streiten seit mehreren Jahren über alle Instanzen über die Zulässigkeit des Samplings von Audiofragmenten. Hintergrund des Rechtsstreites ist ein ca. 2 Sekunden langes Sample eines Schlagzeug-Grooves aus einer 1977 von der Gruppe Kraftwerk veröffentlichen Tonaufnahme mit dem Titel „Metall auf Metall“. Dieses Audiofragment hat der Produzent Moses Pelham elektronisch kopiert („gesampelt“) und dem 1997 veröffentlichten Song „Nur mir“ in Form einer Endlosschleife (sog. „Loop“) unterlegt.

 

 

Entscheidung des EuGH vom 29.7.2019 (Rechtssache C 476/17)

 

Auf die Vorlagefragen des BGH hat der EuGH nunmehr Folgendes zur Frage der Erlaubnis des sog. Sampling entschieden:

 

  • Die Technik des „Elektronischen Kopierens von Audiofragmenten“ (Sampling), bei der ein Nutzer – zumeist mit Hilfe elektronischer Geräte – einem Tonträger ein Audiofragment entnimmt und dieses zur Schaffung einer neuen Tonaufnahme nutzt, ist eine künstlerische Ausdrucksform, die unter die durch Art. 13 der Charta geschützte Freiheit der Kunst fällt.
  • Ob Sampling zulässig ist, hängt vom Einzelfall ab, da bei der Frage der Zulässigkeit ein angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Inhaber von Urheber- und verwandten Schutzrechten am Schutz ihres nun in Art. 17 Abs. 2 der Charta verankerten Rechts am geistigen Eigentum auf der einen Seite und dem Schutz der Interessen und Grundrechte der Nutzer von Schutzgegenständen sowie dem Allgemeininteresse auf der anderen Seite, darunter die durch Art. 13 der Charta garantierte Freiheit der Kunst, herzustellen ist.
  • Entnimmt ein Nutzer in Ausübung der Kunstfreiheit einem Tonträger ein Audiofragment, um es in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form in einem neuen Werk zu nutzen, stellt eine solche Nutzung keine „Vervielfältigung“ im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 dar und ist daher erlaubt und bedarf keiner Zustimmung des Tonträgerherstellers der Originalaufnahme. Die erlaubnisfreie Nutzung setzt also voraus, dass das Fragment (Sample) in den anderen Tonträger in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form eingefügt wird. In Ausübung dieser Freiheit muss der Nutzer eines Audiofragments (Sample) bei der Schaffung eines neuen Werks das dem Tonträger entnommene Fragment also so ändern, dass es in der neuen Aufnahme beim Hören nicht wiedererkennbar ist.
  • Das ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers, die Vervielfältigung seines Tonträgers zu erlauben oder zu verbieten, gestattet ihm jedoch, sich dann dagegen zu wehren, wenn ein Dritter ein – auch nur sehr kurzes – Audiofragment seines Tonträgers nutzt, um es in einen anderen Tonträger einzufügen, wenn dieses Fragment wiedererkennbar bleibt.
  • Sampling kann ausnahmsweise zudem als sog. Zitat im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29 zulässig sein, sofern die Nutzung zum Ziel hat, mit dem Werk, dem das Audiofragment entnommen wurde, in dem in Rn. 71 des vorliegenden Urteils genannten Sinne zu interagieren, und sofern die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d erfüllt sind. Die wesentlichen Merkmale eines Zitats bestehen darin, dass ein Werk oder ganz allgemein ein Auszug aus einem Werk von einem Nutzer, der nicht dessen Urheber ist, genutzt wird, um Aussagen zu erläutern, eine Meinung zu verteidigen oder eine geistige Auseinandersetzung zwischen dem Werk und den Aussagen des Nutzers zu ermöglichen, so dass der Nutzer eines geschützten Werks, der sich auf die Ausnahme für Zitate berufen will, das Ziel verfolgen muss, mit diesem Werk zu interagieren. Eine solche das Zitatrecht begründende Interaktion kann es jedoch denknotwendig nicht geben, wenn das zitierte Werk im neuen Werk nicht zu erkennen ist.

 

 

Fazit

 

Die Entscheidung kann durchaus als Grundsatzurteil verstanden werden, da sie nicht nur zur Folge hat, dass Sampling in bestimmten Situationen erlaubt ist, sondern genau aufzeigt, wann und unter welchen Voraussetzungen Sampling möglich bzw. erlaubt ist. Nämlich dann, wenn das gesampelte Audiofragment nicht wiedererkennbar verwendet wird. Denn in diesem Fall hat der Tonträgerhersteller der ursprünglichen Aufnahme keine nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen des Samplings zu befürchten. Bleibt das gesampelte Audiofragment hingegen erkennbar, bleibt Sampling auch künftig unzulässig und greift in die ausschließlichen Rechte des Tonträgerherstellers ein. Das Urteil darf also nicht als Freifahrtschein für Plagiate und Sampling fremder Aufnahmen verstanden werden. Der EuGH führt daher zu recht aus:

 

„Um ihre Tätigkeit ausüben zu können, bedürfen Urheber und ausübende Künstler eines angemessenen Einkommens als Grundlage für weiteres schöpferisches und künstlerisches Arbeiten. Die insbesondere für die Herstellung von Tonträgern und Filmen erforderlichen Investitionen sind außerordentlich hoch und risikoreich. Die Möglichkeit, ein solches Einkommen sicherzustellen und solche Investitionen abzusichern, kann nur durch einen angemessenen Rechtsschutz für die jeweils betroffenen Rechtsinhaber wirkungsvoll gewährleistet werden.“

 

 

(c) 30.7.2019, Rechtsanwalt Christian Weber, WeSaveYourCopyrights Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

 

 

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