Filmrecht: Schauspielern*innen steht umfangreicher Auskunftsanspruch gegen TV-Sender zu (LG München I)
Schauspielern*innen steht in Bezug auf angemessene Vergütung umfangreicher Auskunftsanspruch gegen TV-Sender zu (Urteil des LG München I vom 29.1.2021)
Das Landgericht München I hat in einem Urteil vom 29.1.2021 (Az. 21 O 19277/18) einen umfangreichen Auskunftsanspruch einer Schauspielerin gegenüber dem TV-Sender SAT 1 über die Einnahmen des Senders einschließlich dessen Werbeeinnahmen in Verbindung mit Wiederholungs-Ausstrahlungen von Folgen der Serie „Sechserpack“ bejaht. Der Auskunftsanspruch dient dabei als erster Schritt der Geltendmachung einer angemessenen Vergütung der Schauspielerin im Sinne von § 32a UrhG.
Das Urteil dürfte nicht nur Signalwirkung für viele Schauspielerinnen und Schauspieler haben, sondern auch für Filmproduzenten und TV-Sender von Interesse sein.
Hintergrund
Wiederholungen von erfolgreichen Filmen und beliebten TV-Serien finden in der Regel ein breites Publikum. Häufig werden Filme und Serien daher dutzende Male wiederholt. Fraglich ist in einem solchen Erfolgsfall, ob die ursprünglich mit den Mitwirkenden vereinbarte Vergütung fair und angemessen ist. Dies kann insbesondere dann problematisch sein, wenn ein unerwarteter Erfolg eintritt, die vereinbarte Vergütung jedoch nicht an diesen Erfolg anknüpft, sondern beispielsweise pauschal erfolgt ist (sog. Buyout). Dann stellt sich die Frage, ob dem Künstler eine weitere Vergütung (sog. „Nachvergütung“) zusteht.
Anspruch auf angemessene Vergütung nach dem UrhG
Das Urheberrechtsgesetz gewährt sowohl dem Urheber (§ 32a UrhG), als auch dem ausübenden Künstler (§ 79 Abs. 2a UrhG) in bestimmten Fällen eine sog. “weitere Beteiligung“. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn bei einem Vertrag, der die Einräumung von Nutzungsrechten vorsieht,
- die vertraglich vereinbarte Vergütung für die Einräumung der Rechte in einem auffälligen Missverhältnis zum Erfolg steht und
- es sich nicht um eine unentgeltliche Einräumung eines einfachen Nutzungsrechts für jedermann handelt und
- die Vergütung nicht nach einer gemeinsamen Vergütungsregel oder tarifvertraglich bestimmt worden ist und dort ausdrücklich eine weitere angemessene Beteiligung für den Fall eines auffälligen Missverhältnisses vorgesehen ist.
Der Werkverwerter (z.B. der TV-Sender) ist dann gesetzlich verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber bzw. dem ausübenden Künstler eine den Umständen nach weitere, angemessene Beteiligung gewährt wird bzw. dem Künstler ein zusätzliches Entgelt zu zahlen. Die Angemessenheit muss an den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes gemessen werden. Um die Vergütung aber im ersten Schritt überhaupt auf ihre Angemessenheit überprüfen zu können und die Höhe der Forderung („Nachvergütung“) beziffern zu können, benötigen Schaupieler*innen zunächst Informationen über die Einnahmen aus der Verwertung des Films bzw. der Serie. Genau um diesen Auskunftsanspruch ging es in dem vorliegenden Rechtsstreit.
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Inhalt des Urteils des LG München I
Nach Ansicht des LG München kommt es bei der Beurteilung des angemessenen Verhältnisses zwischen Vergütung und Erfolg unter anderem auf die Anzahl der Ausstrahlungen und Wiederholungen sowie auf die Einschaltquoten an. Diese könnten Anhaltspunkte dafür sein, ob eine TV-Serie im Vergleich zu ähnlichen Formaten überdurchschnittlich erfolgreich ist. Wenn danach ein Nachvergütungsanspruch grundsätzlich möglich erscheint, steht dem Künstler ein Auskunftsanspruch zu.
Ungewöhnlich bzw. „neu“ ist, dass das Gericht den Auskunftsanspruch der Schauspielerin auch auf die Werbeeinnahmen erstreckt hat. Da man davon ausgehen muss, dass die Werbeeinnahmen gerade bei Privatsendern einen Großanteil der Einnahmen ausmachen, ist die Entscheidung aus Sicht von Schauspielerinnen und Schauspieler sehr zu begrüßen.
Kommentar des Verfassers
Die Entscheidung steht in einer Linie mit einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2020. Der BGH hatte dem dort auf eine angemessene Vergütung klagenden Kameramann Jost Vacano bezüglich des Films „Das Boot“ eine weitere Vergütung für die Ausstrahlung von Wiederholungen zugesprochen (BGH, Urteil v. 20.2.2020, I ZR 176/18 – Das Boot II). Der Kameramann war ursprünglich lediglich mit einem Pauschalhonorar („Buy-Out-Vergütung“) vergütet worden.
Zu beachten ist, dass die Entscheidung des LG München I noch nicht rechtskräftig ist und, dass zu erwarten ist, dass der TV-Sender Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen wird.
In einem ähnlichen Fall hatte vor Kurzem das Landgericht Berlin der Auskunftsklage einer Drehbuchautorin in Bezug auf die Einnahmen von Til Schweigers Kinohits „Keinohrhasen“ und „Zweiohrküken“ stattgegeben (Urteil des LG Berlin vom 27. Oktober 2020, Az. 15 O 296/18).
Weitere Informationen zum Urteil des LG München I
Link zur Pressemitteilung Nr. 04/2021 des LG München vom 2.2.2021
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(c) Rechtsanwalt Christian Weber, Frankfurt am Main, 14.2.2021 – WeSaveYourCopyrights Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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