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Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken (sog. Anti-Abzock-Gesetz) im Bundesgesetzblatt verkündet

Entstehung und Gesetzgebungsverfahren bezogen auf das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken

Im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2013 Teil I Nr. 59, ausgegeben zu Bonn am 8. Oktober 2013 auf Seite 3714 wurde heute das „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ verkündet. Das „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ geht auf eine Initiative des Verbraucherzentrale Bundesverband sowie auf die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zurück. Der ursprüngliche Regierungsentwurf stammt vom 15.4.2013. Es wurde am 27.6.2013 durch den Bundestag in der Form der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 26.6.2013 (BT-Drucksache 17/14192) beschlossen, passierte am 20.9.2013 den Bundesrat und wurde am 1.10.2013 ausgefertigt d.h. vom Bundespräsidenten unterzeichnet. Es tritt gemäß Artikel 10 S. 1 am Tag nach der Verkündung, also am 09.10.2013 in Kraft.

 

Ziel und Regelungsbereiche des Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken

Das Gesetz regelt verschiedene Bereiche des Inkasso- und Abmahnwesens (im Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts) und sieht insbesondere Vorschriften zur Transparenz vor. Insbesondere im Bereich urheberrechtlicher Abmahnungen wurden einige ursprünglich im Regierungsentwurf vom 15.4.2013 (BT-Drucksache 17/13057) vorgesehene Regelungen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wieder aufgegeben, weil diese zu weitreichend waren und „über das Ziel hinausgeschossen“ sind. Hierzu gehören unter anderem das ursprünglich vorgesehene Erfordernis der Vorlage einer Vollmacht im Original sowie eine gesetzliche Begrenzung bzw. Festlegung von urheberrechtlichen Streitwerten (sog. Streitwertdeckelung in § 49 GKG-E).

Für das Erfordernis, einer Abmahnung eine Vollmacht beizufügen, sah der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes „keine praktische Notwendigkeit“, nachdem man im Rahmen der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss am 15.5.2013 zu dem Ergebnis gelangte, dass Fälle, in denen urheberrechtliche Abmahnungen mangels Bevollmächtigung unberechtigt erfolgt sind, nicht bekannt sind und die Vorlage einer Vollmacht im Original insbesondere Urheber bzw. Rechteinhaber im Ausland diskriminieren und ihrer Möglichkeit, einen schnellen und effektiven Rechtsschutz zu erlangen berauben würde (vgl. dazu die Stellungnahme von Prof. Dr. Jan Bernd Nordemann).

Die ursprünglich vorgesehene Festlegung eines gesetzlichen Streitwertes bei Urheberrechtsverletzungen, die von Privatpersonen begangen wurden, (sog. Streitwertdeckelung in § 49 GKG-E) wurde ebenfalls nach der Expertenanhörung im Rechtsauschuss fallen gelassen. Eine Streitwertdeckelung per Gesetz wäre unflexibel und würde eine „Pauschaliererei“ darstellen, die den unterschiedlichen Gefährlichkeitsgraden und der Bandbreite privater Urheberrechtsverletzungen im Einzelfall nicht würde (vgl. dazu die Stellungnahme von Prof. Dr. Jan Bernd Nordemann). Stattdessen wurde im neuen § 97a Abs. 3 UrhG an der bisherigen Regelung einer Beschränkung der erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten (wie bislang im „alten“ § 97a Abs. 2 UrhG)  festgehalten. Die erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten sind demnach der Höhe nach in bestimmten Fällen, wenn dies in den besonderen Umständen des Einzelfalles nicht unbillig ist, begrenzt auf Gebühren nach einem (fiktiven) Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch von 1.000,- €. Sie liegen daher – sofern die Vorschrift im Einzelfall zur Anwendung kommt und eine Anwendung nicht an der Unbilligkeit des neuen § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG scheitert – geringfügig über der bisherigen Regelung des § 97a Abs. 2 UrhG, der eine Beschränkung auf pauschal 100,- € vorsah. Auslagen, sonstige erforderlichen Rechtsverfolgungskosten sowie Schadensersatz kommen zu diesem Betrag hinzu. Liegt die Unbilligkeit im Sinne des neuen § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG vor, greift keine Beschränkung der erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten d.h. diese sind in vollem Umfang auf Grundlage des jeweils angemessenen Gegenstandswertes zu erstatten.

Weitere Infos zu den Auswirkungen der neuen Regelungen im Hinblick auf urheberrechtliche Abmahnungen finden Sie in unseren FAQ zum Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken

 

Verfassungsrechtliche und europarechtliche Bedenken des Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken

Gegen eine Beschränkung der erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten bestanden bereits bei der bisherigen Vorschrift des § 97a Abs. 2 UrhG insoweit Bedenken, als dadurch der Rechtsverletzer privilegiert wird und der Verletzte auf einem Teil seiner Kosten „sitzen bleibt“. Dies wird nicht nur als unfair bzw. ungerecht empfunden, sondern macht in weiten Bereichen Rechtsverfolgungsmaßnahmen aus wirtschaftlichen Gründen unmöglich, insbesondere in der Pirateriebekämpfung im Internet, also ausgerechnet dort, wo ein Großteil der Rechtsverletzungen heutzutage stattfindet. Insoweit bestanden bereits gegenüber der bisherigen Vorschrift des § 97a Abs. 2 UrhG erhebliche Bedenken im Hinblick auf dessen Verfassungsmäßigkeit und dessen Vereinbarkeit mit dem Europarecht. Der bisherige § 97a Abs. 2 UrhG war immerhin als Ausnahmetatbestand formuliert, der an verschiedene Voraussetzungen geknüpft war, so dass eine Beschränkung der erstattungsfähigen Kosten nur in wenigen, bestimmten Fällen, in denen dies sachlich gerechtfertigt erscheinen mag (z.B., wenn es sich um einen „einfach gelagerten Fall“ und eine „nur unerhebliche Rechtsverletzung“ handelte) in Betracht kam.Eine Überprüfung der Norm durch das BVerfG oder den EuGH hat nie stattgefunden. Über die Anwendbarkeit hatte bislang nicht einmal der Bundesgerichtshof entschieden.

Der neue § 97a Abs. 3 UrhG macht die Beschränkung der erstattungsfähigen Kosten zum „Normalfall“ (sofern dies im Einzelfall nicht unbillig ist). Es erscheint aber aus Sicht des geschädigten Urhebers, dessen Schutz das Urheberrechtsgesetz eigentlich bezweckt, per se unbillig, ihm einen Großteil seiner Rechtsanwaltskosten aufzuerlegen und den Rechtsverletzer zu begünstigen. Hierdurch entstehen im Urheberrecht absolute Rechtsschutzlücken, die verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sind. Dies kann als Freibrief für Rechtsverletzungen verstanden werden. Eine sachliche Rechtfertigung, die die grundgesetzliche geschützte Position des Urhebers als Inhaber seines (geistigen) Eigentums, welches über Art. 14 GG geschützt ist, ausreichend berücksichtigt, kann hierbei nicht erblickt werden. Es sprechen daher gewichtige Gründe dafür, dass die Regelung weder mit dem Grundgesetz, noch mit dem Europarecht vereinbar ist. Eine Verfassungswidrigkeit kann allenfalls durch eine grundrechtskonforme weite Auslegung der „Unbilligkeitsklausel“ bei der Anwendung der Vorschrift durch die Gerichte verhindert werden. Eine enge Auslegung würde faktisch dazu führen, dass Urheberrechtsverletzungen schlichtweg von Seiten des Verletzten hingenommen werden müssten und ein Rechtsschutz aus wirtschaftlichen Gründen faktisch nicht existent wäre.

 

(c) Rechtsanwalt Christian Weber 2013

 

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