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Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast bei illegalem Filesharing (OLG Köln, 6 U 10/13)

Sekundäre Darlegungslast bei illegalem Filesharing (OLG Köln, Urteil v. 2.8.2013, 6 U 10/13)

 

Rechtlicher Hintergrund: Rechtsprechung des BGH zur sekundären Darlegungslast bei Filesharing und zur Frage der Entkräftung der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers

 

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes spricht, wenn „ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist“ (BGH, Urteil vom 12.05.2010, I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens; BGH, Urteil vom 15.11.2012, I ZR 74/12, Rn. 33 – Morpheus). Diese tatsächliche Vermutung der Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers findet ihre Grundlage einerseits in der allgemeinen Lebenserfahrung, wonach der Anschlussinhaber in der Regel auch derjenige ist, der den Anschluss nutzt oder jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert (vgl. OLG Köln, GRUR-RR  2012,  329  [330]). Andererseits stellt die tatsächliche Vermutung eine Beweiserleichterung zu Gunsten desjenigen dar, dessen Wahrnehmungsbereich sich die konkreten Tatumstände entziehen. Der Grundsatz eines fairen Verfahrens gebietet es, demjenigen, der bezüglich solcher Tatsachen, die er nicht kennt und nicht kennen kann (z.B. weil die konkrete Rechtsverletzung sich in der Wohnung des Anschlussinhabers also außerhalb des Wahrnehmungsbereichs des Verletzten abgespielt hat) beweisbelastet ist, zu ermöglichen, den Prozeß sachgerecht fortzuführen. Aus der tatsächlichen Vermutung folgt eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers. Will der Anschlussinhaber die tatsächliche Vermutung seiner Verantwortlichkeit widerlegen, hat er also darzulegen, dass nicht er selbst, sondern ein Dritter die Rechtsverletzung begangen hat und dafür verantwortlich ist. Hierzu muss der Anschlussinhaber Tatsachen darlegen, die die „ernsthafte Möglichkeit“ eines anderen Geschehensablaufs nahe legen. Ein bloß einfaches Bestreiten der eigenen Täterschaft genügt daher nicht. Dies ist allgemeine Ansicht in Rechtsprechung und Literatur. Darüber wie weit diese Darlegungslast jedoch im Einzelfall reicht und in welchem Umfang der Anschlussinhaber verpflichtet ist, sich zu konkreten Tatumständen (z.B. zur Person des angeblichen Täters und zu dessen Nutzungsverhalten) zu erklären, wurden bisher unterschiedliche Auffassungen vertreten.

 

Die zur sekundären Darlegungslast bei Filesharing ergangene Rechtsprechung des OLG Köln, insbesondere das Urteil 6 U 10/13 des OLG Köln vom 2.8.2013

 

In einer aktuellen Entscheidung hat das OLG Köln über die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers entschieden (OLG Köln, Urteil vom 2.8.2013, 6 U 10/13). Nach Auffassung des OLG Köln genügt es nicht, wenn der Anschlussinhaber, über dessen Anschluss eine Rechtsverletzung begangen wurde, diese lediglich bestreitet oder nur vage Tatsachen vorträgt, aus denen sich die bloß theoretische Möglichkeit ergibt, dass ein Dritter die Rechtsverletzung begangen haben könnte. Stattdessen muss der Anschlussinhaber nach Ansicht des 6. Zivilsenats des OLG Köln Tatsachen darlegen und ggf. beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs – nämlich die Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des Internetanschlusses – ergibt.

 

Das Oberlandesgericht Köln führt hierzu in einem Urteil vom 2.8.2013 (Az. 6 U 10/13) aus:

 

„Der Anschlussinhaber muss seine Verantwortlichkeit deshalb im Rahmen des ihm Zumutbaren substantiiert bestreiten sowie Tatsachen darlegen und ggf. beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs – nämlich der Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des Internetanschlusses – ergibt (vgl. BGH GRUR 2013, 511 Rn. 34 – Morpheus; Senat WRP 2012, 1007 Rn. 24; GRUR-RR 2012, 329 [330]).“

 

Durch dieses Urteil hat das OLG Köln seine bisherige Rechtsprechung zur Entkräftung der tatsächlichen Vermutung des Anschlussinhabers bekräftigt und weiter konkretisiert.

 

Das Oberlandesgericht Köln hatte bereits zuvor, in einem Urteil vom 16.5.2012 (Az. 6 U 239/11) hierzu ausgeführt:

 

„Diese Annahme wird dann erschüttert und die Vermutungsgrundlage beseitigt, wenn Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs (Alleintäterschaft eines anderen Nutzers) ergibt.“

 

Im Falle der Mitnutzung des Anschlusses durch Familienmitglieder ist der Anschlussinhaber, der geltend machen will, dass ein Familienmitglied (z.B. Ehepartner, Kind etc.) die Rechtsverletzung begangen hat nach Ansicht des OLG Köln sogar verpflichtet, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast durch konkrete Schilderungen zum tatsächlichen Nutzungsverhalten des (angeblichen) Mitnutzers aufzuzeigen, dass dieser ernsthaft als Alleintäter in Betracht kommt. Andernfalls bleibe es bei der tatsächlichen Vermutung der Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 08.05.2013, 6W 256/12; OLG Köln, Urteil vom 16.5.2012, 6 U 239/11).

 

Auch im Hinblick auf den Betrieb eines WLAN und die Behauptung, dass dieses voneinem unbekannten Dritten „gehackt“ worden sei, hat sich das OLG entsprechend geäußert. Das Oberlandesgericht Köln hat hierzu in dem Urteil vom 2.8.2013 (Az. 6 U 10/13) wie folgt ausgeführt:

 

„Der Beklagte hat vorgebracht, sein Router sei WPA2-verschlüsselt und durch ein Passwort gesichert gewesen. Angesichts dieser Sicherungsmaßnahmen erscheint fernliegend, dass ein unbefugter Dritter auf den WLAN-Anschluss des Beklagten zugegriffen hat.“

 

Die sehr lesenswerte Entscheidung des OLG Köln (6 U 10/13) kann auf der Internetseite der Rechtsanwaltskanzlei Rasch im Volltext abgerufen werden.

 

Die Rechtsprechung anderer Gerichte zum Thema sekundäre Darlegungslast bei Filesharing und zur Frage der Widerlegung der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers

 

Die Entscheidung des OLG Köln wird bei genauer Betrachtung durch die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gestützt. Der BGH hat in seinem Urteil vom 15.11.2012 („Morpheus“) folgendes zur Entkräftung der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft ausgeführt (Az. I ZR 74/12, Rn. 34):

 

„Diese  tatsächliche  Vermutung  ist  im  Streitfall  jedoch  entkräftet,  da nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang  für  die  behauptete  Rechtsverletzung  genutzt  hat.“

 

Die Entscheidung des OLG Köln steht auch in einer Linie mit der Rechtsprechung des OLG München und des Landgericht München I, wonach an den zur Entkräftung der tatsächlichen Vermutung erforderlichen Sachvortrag ein „strenger Maßstab bezogen auf den Detailgrad und die Plausibilität“ anzulegen ist (LG München I, 21 S 28809/11 vom 22.03.2013). Nach Auffassung des OLG Münchengenügt ein pauschales Vorbringen, dem nicht entnommen werden kann, welche Person zum fraglichen Zeitpunkt den Internetanschluss genutzt hat bzw. nutzen konnte und deshalb als für das angegriffene Verhalten allein verantwortlich in Betracht kommt“ nicht, um die tatsächliche Vermutung der Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers zu widerlegen (OLG München, Beschluss vom 1.10.2012, 6 W 1705/12).

 

Das Landgericht Köln hat diese Ansicht bereits im Jahr 2011 vertreten und ausgeführt (Urteil vom 11.5.2011, 28 O 763/10):

 

„Hieraus kann nach Auffassung der Kammer indes nicht der Schluß gezogen werden, daß bereits jeder Hinweis auf die Zugangsmöglichkeit einer dritten Person ohne weitere Nachforschung und Darlegung zu deren Tätigkeit ausreichend wäre, um die sekundäre Darlegungslast zu erfüllen. Denn würde man den schlichten Hinweis auf eine dritte Person als ausreichend ansehen, fiele die vom BGH in der Entscheidung Sommer unseres Lebens aufgestellte tatsächliche Vermutung für die Verantwortlichkeit des Anschlußinhabers, die ihren Grund in der Beweisnot des Rechteinhabers findet, im Ergebnis in sich zusammen.“

 

 

Konsequenzen der Rechtsprechung zum Thema sekundäre Darlegungslast bei Filesharing für die Praxis

 

Der Anschlussinhaber ist also, wenn er geltend machen will, die ihm vorgeworfene Urheberrechtsverletzung nicht begangen zu haben, dazu verpflichtet, sich detailliert zum konkreten Geschehen zu äußern. Andernfalls hat er für die jeweilige Rechtsverletzung aufgrund der gegen ihn streitenden tatsächlichen Vermutung einzustehen. Das einfache Bestreiten der Tat und die vage Behauptung der generellen Möglichkeit, dass der Anschluss noch von weiteren Personen bzw. Familienmitgliedern genutzt würde – insbesondere bei Rechtsanwälten, die eine große Zahl an Abgemahnten vertreten und bei Rechtsanwälten, die keinen Tätigkeitsschwerpukt im Urheberrecht haben, eine häufig zu beobachtende Verteidigungsstrategie –  sind für die Widerlegung der tatsächlichen Vermutung völlig ungeeignet. Auch die bloße Behauptung der theoretischen Möglichkeit, dass auf einen Internetanschluss von außen zugegriffen werden könne bzw. ein WLAN von einem Unbekannten „gehackt“ worden sei oder die Behauptung, zum vermeintlichen Tatzeitpunkt nicht zu Hause gewesen zu sein und vor Verlassen der Wohnung den Computer ausgeschaltet zu haben, sind nicht geeignet, die tatsächliche Vermutung der Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers zu erschüttern (OLG Köln, Urteil vom 2.8.2013, 6 U 10/13, Seite 4 unten). Der Abgemahnte hat stattdessen genau darzulegen und ggf. zu beweisen, dass nur eine konkrete dritte Person als Alleintäter in Betracht kommt und seine eigene Täterschaft deshalb ausscheidet.

 

 

 

(c) Rechtsanwalt Christian Weber, 22.8.2013

 

 

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