WeSaveYourCopyrights » Filesharing: BGH bestätigt Verurteilung des Anschlussinhabers zu Schadensersatz und Zahlung von Anwaltskosten wegen illegalem Filesharing (I ZR 7/14, I ZR 19/14 u. I ZR 75/14 v. 11.6.2015)

Filesharing: BGH bestätigt Verurteilung des Anschlussinhabers zu Schadensersatz und Zahlung von Anwaltskosten wegen illegalem Filesharing (I ZR 7/14, I ZR 19/14 u. I ZR 75/14 v. 11.6.2015)

Anmerkungen zu BGH I ZR 7/14, I ZR 19/14 und I ZR 75/14 vom 11.6.2015

 

Obwohl Fälle des illegalen Filesharing in der Praxis häufig vorkommen, hatte der Bundesgerichtshof bislang erst drei mal über die damit verbundenen Haftungsfragen zu entscheiden. Zunächst entschied der BGH im Jahr 2010 zur Störerhaftung bei nicht ausreichend gesichertem WLAN und bestätigte die Verurteilung der Anschlussinhaberin mit Urteil vom 10.5.2010 (I ZR 121/08) zur Unterlassung und Erstattung von Rechtsanwaltskosten. Zur Haftung des Anschlussinhabers bei illegalem Filesharing durch minderjährige Kinder entschied der BGH im Jahr 2012 (Urteil v. 15.11.2012, I ZR 74/12 – Morpheus). Zur Haftung des Anschlussinhabers bei illegalem Filesharing durch volljährige Familienangehörige entschied der BGH Anfang 2014 (Urteil v. 8.1.2014, I ZR 169/12).

Mit den am 11.6.2015 verkündeten Urteilen hat der BGH nun über drei weitere Fälle illegalen Filesharings entschieden und die Anschlussinhaber als Täter zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von jeweils 3.000,- € sowie zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten verurteilt. Dabei hat der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes die Verurteilung der Anschlussinhaber in allen 3 zu entscheidenden Fällen bestätigt und deren Revisionen zurückgewiesen (Az. I ZR 7/14, I ZR 19/14 u. I ZR 75/14). Vorausgegangen waren Berufungsurteile des OLG Köln, in denen das OLG Köln die jeweiligen Beklagten (Anschlussinhaber) auf Schadensersatz in Höhe von je 3.000,- € für das öffentliche Zugänglichmachen von 15 Musiktiteln sowie Erstattung von Rechtsanwaltskosten auf Grundlage eines Gegenstandswertes von 100.000,- €  und einer 1,3-Geschäftsgebühr nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verurteilt hatte.

 

 

Bundesgerichtshof BGH Filesharing

 

Insbesondere zur Frage des Nachweises der Rechteinhaberschaft, zum Bestreiten der ordnungsgemäßen Ermittlung, zur tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers, zur Haftung von Eltern bei Aufsichtspflichtverletzungen und zur Höhe des Schadensersatzes bei Filesharing bringen die drei Entscheidungen durchaus neue Erkenntnisse:

 

 

Nachweis der Rechteinhaberschaft bzw. Aktivlegitimation bei Filesharingfällen

 

Zum Nachweis der Rechteinhaberschaft der Klägerinnen, der vier führenden deutschen Tonträgerherstellerinnen führte der BGH aus, dass die klägerseitig vorgelegten Einträge in der sog. Phononet-Datenbank ein erhebliches Indiz für die Inhaberschaft der Tonträgerherstellerrechte seien und die Beklagten keine Anhaltspunkte dargelegt hätten, die diese Indizwirkung hätte entkräften können.

 

Fazit: Die Richter stellten insoweit klar, dass ihrer Ansicht nach gerade bei Tonträgerherstellern der Nachweis der gesamten Rechtekette sehr schwierig zu führen sei und daher Indizien genügen müssen, wenn keinerlei gegenteilige Anhaltspunkte von der Beklagtenseite dargetan seien. Hierbei ist auch zu bedenken, welcher Aufwand und welche Kosten damit verbunden wären, gerade bei internationalen Musikprojekten sämtliche erforderlichen Zeugen vorzuladen und zu vernehmen und, dass dies in keinem Verhältnis stehe, insbesondere dann nicht, wenn der Beklagte (Rechtsverletzer) die Rechteinhaberschaft nur ins Blaue hinein pauschal bestreite. Das mutwillige Bestreiten der Aktivlegitimation, das von vielen Rechtsanwälten, die Abgemahnte vertreten, standardmäßig praktiziert wird, führt demnach, wenn Indizien die Rechteinhaberschaft bestätigen, allenfalls zu erheblich höheren Prozesskosten (z.B. aufgrund der Notwendigkeit Zeugen aus dem Ausland zu vernehmen), ohne, dass sich in der Sache die Beurteilung ändert. Fälle, in denen die Rechteinhaberschaft im Ergebnis nicht nachgewiesen werden konnte, sind äußerst selten.

 

Bestreiten der ordnungsgemäßen Ermittlung und der Auskunft des Providers

 

Zum Bestreiten der ordnungsgemäßen Ermittlung führte der Vorsitzende des 1. Zivilsenats des BGH, Prof. Dr. Büscher in der mündlichen Verhandlung aus, dass die theoretische Möglichkeit, dass bei den Ermittlungen seitens des Ermittlungsunternehmens und des Internetproviders Fehler vorkommen können, nicht gegen die Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse im konkreten Fall spreche, wenn im Einzelfall keine konkreten Fehler dargelegt werden, die gegen deren Richtigkeit sprechen. Solche konkreten Fehler hatten die Beklagten nicht dargetan, sondern lediglich abstrakte Ausführungen zu theoretschischen Fehlerquellen gemacht.

 

Fazit: Die Richter haben in den zu entscheidenden Fällen insoweit die in Filesharingfällen von „Verschwörungstheoretikern“ häufig angeführten pauschalen Ausführungen zu angeblichen Falschermittlungen, Hashkollissionen, Zahlendrehern und ähnlichem als unerheblich angesehen und verlangen konkrete Anhaltspunkte, die im Einzelfall eine Falschermittlung oder Falschauskunft nahe legen. Einfaches Bestreiten sowie die bloße Behauptung der theoretischen Möglichkeit, dass Ermittlungsfehler vorkommen können, ist danach zwar grundsätzlich prozessual zulässig, führe im Zweifel aber nicht dazu, dass von einem Ermittlungsfehler auszugehen ist. Stattdessen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Ermittlungen und Auskünfte des Internetproviders richtig sind, solange keine entgegenstehenden Anhaltspunkte Zweifel daran begründen. Im Zweifel führt also das Bestreiten der Ermittlungen nur zu einem erheblichen Anstieg der Prozesskosten durch die Vernehmung von Zeugen oder das Einholen eines Sachverständigengutachtens, ohne, dass sich dadurch in der rechtlichen Beurteilung im Ergebnis etwas ändert. Fehlerhafte Ermittlungen in Filesharingfällen sind bisher nach Kenntnis des Autors gerichtlich nicht dokumentiert.

 

 

Tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers: Der Anschlussinhaber muss darlegen und im Bestreitensfalle auch beweisen, dass sein Anschluss zum konreten Tatzeitpunkt vom Dritten (Täter) genutzt wurde

 

In den beiden Fällen I ZR 75/14 und I ZR 19/14 wurde jeweils der Internetanschlussinhaber als Täter verurteilt. Die gegen den Anschlussinhaber streitende tatsächliche Vermutung der Täterschaft war von den Beklagten nicht widerlegt worden und greife daher nach Ansicht des BGH ein. In der Sache I ZR 75/14 hatte der beklagte Anschlussinhaber vorgetragen, zum Tatzeitpunkt im Urlaub gewesen zu sein und den Computer sowie den Router vom Strom getrennt zu haben. Diese Behauptung, die von den Klägerinnen bestritten worden war, konnte er (der Anschlussinhaber) allerdings nicht beweisen, da die Vernehmung der Ehefrau und der beiden Söhne diese Behauptung nicht bestätigte. Maßgeblich ist, dass der Anschlussinhaber für die Umstände, die er zur Entkräftung der gegen ihn streitenden tatsächlichen Vermutung seiner Täterschaft vorträgt, im Bstreitensfall beweisen muss.

 

Fazit: Der Anschlussinhaber, gegen den zunächst eine tatsächliche Vermutung spricht muss zur Widerlegung der tatsächlichen Vermutung seiner Täterschaft zunächst einen Geschehensablauf darlegen, wonach auch eine andere Person zum konkreten Tatzeitpunkt auf den Internetanschluss zugegriffen hat und dies – soweit es streitig wird – auch beweisen. Der BGH hat insoweit eine bislang von den Instanzgerichten unterschiedlich beurteilte Frage, nämlich, ob die bloße, ggf. bestrittene Behauptung, dass ein Internetanschluss von mehreren Personen genutzt wird, zur Widerlegung der tatsächlichen Vermutung des Anschlussinhabers ausreicht, beantwortet. Entgegen der bisherigen Ansicht einiger Amts- und Landgerichte muss der Anschlussinhaber demnach Tatsachen, die die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs, nämlich, dass ein Dritter den Internetanschluss zum konkreten Tatzeitpunkt genutzt hat, nicht nur darlegen, sondern – soweit dies bestritten wird – auch beweisen (z.B. durch Vernehmung des angeblichen Täters als Zeugen)  d.h. der Anschlussinhaber muss Beweise bzw. Zeugen dafür benennen, dass seine Behauptung, eine bestimmte Person habe zum Tatzeitpunkt auf seinen Internetanschluss zugegriffen, stimmt. Die bloße Behauptung, dass der Anschluss von einer Vielzahl von Personen genutzt würde ist daher ebenso aussichtslos wie die Behauptung, ein unbekannter Dritter müsse die Rechtsverletzung begangen haben.

 

 

Aufsichtspflichtverletzung nach § 832 BGB: Eltern tragen Beweislast für Nichtverletzung ihrer Aufsichtspflicht

 

In der Sache I ZR 7/14 wurde die Anschlussinhaberin wegen einer Aufsichtspflichtverletzung nach § 832 BGB zur Zahlung von Schadensersatz und Kostenerstattung verurteilt, weil Sie ihre minderjährige Tochter, die die Rechtsverletzung begangen hatte, nicht entsprechend belehrt und ihr die öffentliche Zugänglichmachung von Musikdateien über Internettauschbörsen nicht verboten hatte. Der Umstand, dass die Beklagte für ihre Kinder angeblich allgemeine Regeln zu einem „ordentlichen Verhalten“ aufgestellt habe, reiche – so die Richter des BGH – insoweit nicht aus.

 

Fazit: Der BGH stellte insoweit klar, dass bei einer Tatbegehung durch minderjährige Kinder und der insoweit in betracht kommenden Haftung der Eltern wegen einer Aufsichtspflichtverletzung nach § 832 BGB die Eltern (bzw. die Aufsichtspflichtigen) die Beweilast dafür tragen, konkret nachzuweisen (z.B. im Rahmen einer Zeugenvernehmung der in Betracht kommenden Kinder), dass sie, ihre Aufsicht nicht verletzt haben.

 

 

Schadensersatz bei Filesharing: 200,- € pro Musikaufnahme bzw. 3.000,- € für 15 Musikstücke nicht zu beanstanden

 

Die in den Vorinstanzen von den Klägerinnen als Schadensersatz eingeklagte Pauschale von 200,- € pro Musikaufnahme, die das OLG Köln als jedenfalls nicht überhöhnt ansah, weil dieser Betrag unter Zugrundelegung eines Lizenzerlöses der Klägerinnen von ca. 50 cent pro Download (z.B. bei Downloads über itunes) bereits bei lediglich 400 Zugriffen erreicht würde, sah der BGH nicht als überzogen an. Die Beklagten wurden daher zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von jeweils 3.000,- € (für das Anbieten von je 15 Musiktiteln) verurteilt. Bei einer überschaubaren Anzahl von Musiktiteln, für die Schadensersatz begehrt wird, seien 200,- € nicht zu beanstanden.

 

Fazit: Der von den Klägerinnen geforderte Betrag in Höhe von 200,- € gilt pro Musikaufnahme bzw. 3.000,- € für 15 Musiktitel sah der BGH als „angemessen“ an. In dieser Größenordnung hatten auch bereits andere Gerichte entschieden (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 16.12.2014, 11 U 27/14; LG Hamburg, Urteil vom 11.7.2014, 308 S 31/13).

 

 

 

Anwaltsgebühren: 1,3-Gebühr nach Ziff. 2300 VV RVG ohne Weiteres gerechtfertigt

 

Der BGH bestätigte seine bisherige Rechtsprechung, wonach auch Uternehmen nicht verpflichtet sind, Abmahnungen selbst zu versenden, sondern sich hierzu Dritter, zum Beispiel spezialisierter Rechtsanwaltskanzleien bedienen können und die dadurch entstandenen Kosten als „erforderliche Rechtsverfolgungskosten“ erstattet verlangen können (vgl. BGH, Urteil v. 17.07.2008, I ZR 219/05 – clone cd). Auch den vom OLG Köln festgesetzten Gegenstandswert von 100.000,- € sah der BGH als gerechtfertigt an. Auch beispielsweise das OLG Frankfurt hatte in der Vergangenheit bei Abmahnungen wegen illegalem Filesharing eine 1,3 Mittelgebühr (nach Ziff. 2300 VV RVG) angenommen und zudem eine Anwendbarkeit des § 97a Abs. 2 UrhG (a.F.) verneint, da bei Filesharing kein „einfach gelagerter Fall“ und keine „nur unerhebliche Rechtsverletzung“ vorliegt (OLG Frankfurt, Urteil vom 16.12.2014, 11 U 27/14).

 

 

Weitere Links

 

Die Pressemitteilung des BGH zu den Urteilen vom 11.6.2015 (I ZR 7/14, I ZR 19/14 u. I ZR 75/14) kann hier abgerufen werden.

 

 

(c) 11.6.2015, RA Christian Weber

No Comments

Sorry, the comment form is closed at this time.